Foto: Susanne Diesner
Ein Film ohne Narrativ. Einer von der ungewöhnlichen Sorte. Ein Experiment.
Hypnotisch, poetisch, intensiv. Einer, bei dem das Schauen zum Pendeln zwischen den visuellen Stimmungen gerät.
In S3NSE tanzen zwei Darsteller durch Gänge, über Treppen, ins Licht oder in die Dunkelheit. Sie gelangen an unbestimmte Orte ohne Wände und Grenzen, in denen die visuelle Verortung ins Leere läuft und es nur noch ihre Körper als Fixpunkte gibt. Sie erscheinen optisch fragmentiert und isoliert. Arme, Hände, Füße, Köpfe brechen sich Bahn aus dem Nichts. Die Tänzer kreisen umeinander, filmen sich suchend mit der Kamera ab, obwohl sie das Herannahen des Anderen nur ahnen können. Ihre Wahrnehmung ist durch die Reduktion des Umfeldes aufs äußerste geschärft. Im
Kontrast dazu stehen Szenen des anderen Extrem. Sie fallen in die grenzenlose Weite einer Landschaft, verlieren sich darin, um sich dann neu zu erfinden, anzupassen und zu integrieren.
Das englische S3NSE meint sowohl das verstandesmäßige wie das sinnliche Erfassen und schlägt damit eine Brücke zwischen Individuum und Welt. Eine, die jeden Moment neu gegangen werden muss. Filmisch ist die Ausgangslage die Dämmerung, das Zwielicht. Das Undefinierte wird zum Scheidepunkt, der Gelegenheit zu Besinnung und Neustart gibt.
S3NSE ist eine künstlerische Reaktion auf das Leben in den gesellschaftlichen Nebelkammern, die sich allgegenwärtig ausbreiten. Demokratische Entscheidungen, völkerrechtliche Prinzipien und geopolitische Grenzen werden individuell ausgelegt und verlieren damit ihre Gültigkeit. Konsequenzen sind kaum einschätzbar. Gesellschaftliche Minderheiten setzen dank sozialer Medien Themen und Stimmungen durch, grotesk aufgebläht, deren Diskussion das gros der Gesellschaft
ablenkt und auf Nebenkriegsschauplätze führt. Es ist völlig unklar, welche Kräfte am
Ende dominieren.
Angesichts dieser Extremismen und Dualitäten stellt Karen Bößer in S3NSE die Frage danach, wie wir es schaffen können, Balance zu halten. Der Film ist ein Versuch und eine Einladung, wieder bei uns selbst anzufangen. Sich zu fühlen, sich miteinander zu verbinden, gegenseitig hinzuhören, mitzufühlen und einfach authentisch menschlich zu sein.
Mit S3NSE legt die Düsseldorfer Choreografin und Performerin Karen Bößer ihren zweiten Film vor. D|S°DANCE entstand 2021 im Zuge der Coronabeschränkungen als filmisches Experiment über das künstlerische Arbeiten aus dem tänzerischen Home Office heraus. Der Film erhielt eine Honorable Mention der Tokyo Film Awards und gelangte in die Official Selections des Stockholm City Film Festivals. Vom Heart of Europe International Film Festival (HEI), Slovakei, wurde er als „The best feature film“ ausgezeichnet.
Idee, Konzept, Performance, Kamera – Karen Bößer
Performance, Kamera – Misael Lopez
Musik – Thomas Klein aka Sølyst
Hauptkamera – Susanne Diesner
Videoschnitt – Dirk Dietrich Hennig
Produktionsleitung – Jackie Friedrich
Projektmanagement – Petra Prahl
Unterstützt durch das NATIONALE PERFORMANCE NETZ – STEPPING OUT, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen der Initiative NEUSTART KULTUR. Hilfsprogramm Tanz. Mit freundlicher Unterstützung durch FFT Düsseldorf, Kunst im Hafen e.V., Düsseldorf, Künstlerverein Malkasten, Düsseldorf und Susanne Diesner, Fotografie für Musik und Kunst.